THOMAS REINHOLD. Malerei als empirische Wissenschaft
Im Gegensatz zu anderen Medien wie dem Film oder der Musik hat die Malerei im Grunde nicht so viele Möglichkeiten, erklärt der Maler Thomas Reinhold. Es hat deshalb in der Geschichte immer wieder Maler gegeben, die versuchten, die Möglichkeiten der Malerei zu erweitern. Im Falle des Aktionismus, des Action Paintings oder auch der Happening- bzw. Fluxus-Kunst seien jedoch nicht die Möglichkeiten der Malerei erweitert worden, es sei vielmehr immer etwas anderes daraus geworden.
Mitte der siebziger Jahre, Thomas Reinhold studiert an der Universität für angewandte Kunst, ist das künstlerische Klima noch aktionistisch gestimmt. Das Medium Malerei erscheint vielen nicht performativ genug, so wird auch in der Ausbildung wenig gemalt und vornehmlich mit anderen Medien gearbeitet. Reinhold fotografiert. Seine Arbeiten sind erfolgreich. Sie werden im Grazer Forum Stadtpark aber auch auf Kunstmessen in Basel und New York gezeigt.
Den Weg zur Malerei bezeichnet Thomas Reinhold als eine Reaktion auf den künstlerischen Tenor dieser Zeit. Er habe bewusst einen Kontrapunkt gesetzt. Auch gegen das Meisterklassen Ausbildungssystem, in dem die jungen Künstler stets gleich arbeiteten wie ihre Lehrer. Zunächst malt Reinhold figurativ. In Odysseus, einer Arbeit aus dem Jahr 1981, malt er sich selbst. Nackt, in der Hand ein Schwert, am Anfang eines Säulengangs. Vor ihm eine Esse, im Hintergrund eine futuristisch kubistisch anmutende Figur, ein Alter Ego seiner selbst. Der Maler nennt diese Zusammenstellungen "ikonographische Verwicklungen". Zu dieser Zeit sei seine Malerei bereits formal und weniger erzählerisch geworden – der Weg, den er dann binnen weniger Jahre geht, kündigt sich bereits an. Seine anschließenden Arbeiten entwickeln sich zu einer rein malerischen Reflexion, Malerei wird für ihn zum empirischen Akt, zum Erkenntnisgewinn über ihr Vermögen.
Thomas Reinhold malt erforschend konzentriert. Die Möglichkeiten, die Farbschichtung als Ausdruck der Zeitlichkeit des Malaktes auf dem Gemälde in ein Erlebnis räumlicher Tiefe zu verwandeln, beschäftigen ihn ebenso wie die Facetten der Wahrnehmung aufgrund der Anatomie des menschlichen Auges.
Hinzu kommt in den letzten Jahren das Experiment mit der Selbständigkeit des Materials. Die Flüssigkeit der Farbe wird malerisches Mittel, ihr Verfließen erprobt Reinhold vor dem Hintergrund exakt berechneter Bildkompositionen. Seine Suche nach den Wesenszügen fließender Farben zwingen ihn zur Reduktion. Weg fällt, was ablenken, die Natur des Materials verfälschen könnte. Es entstehen Gemälde, in denen der Forscher erfährt, was das malerische Material von sich aus hervorbringt. Nicht immer lassen sich die fließenden Farben lenken, manchmal gehen sie ihren eigenen Weg. Der Einsatz fließender Farben unter den Laborbedingungen der Komposition hält kleinere oder größere Katastrophen bereit. Reinhold malt nicht um aktionistisch zu sein, aber er integriert die aktionistische Dimension des Materials in seine Malerei. So gelingt ihm eine Erweiterung der Malerei, jenes Mediums, das im Prinzip wenige Möglichkeiten hat, in einem anderen Sinne als es der Aktionismus der siebziger Jahre ermöglichte. Sie bleibt immanent, ohne aus der Malerei etwas anderes zu machen. (Text: Wolfgang Haas)