WIEN. DIE PERLE DES REICHES. Planen für Hitler
„... diese Stadt ist in meinen Augen eine Perle! Ich werde sie in jene Fassung bringen, die dieser Perle würdig ist, und sie der Obhut des ganzen Deutschen Reiches, der ganzen Deutschen Nation anvertrauen. Auch diese Stadt wird eine neue Blüte erleben.“ (Adolf Hitler 1938)
Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts brachten die Revolutionen in Europa eine neue Art des Politikverständnisses mit sich, in der die Mobilisierung der Massen wesentlich war. Die Trennung von Politik und Religion brachte paradoxerweise eine Art weltlicher Religion hervor, in der die Politik dank ihrer Mythen und Symbole eine essentielle Rolle spielte.
Dies wurde ein Jahrhundert später im dritten Reich zu einem Extrem gesteigert, u.a. mit der Wiederbelebung des Sonnenkultes. Die Ästhetisierung der Politik, die schon von Walter Benjamin in seinem Essay „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ beschrieben wurde, mischte sich mit einer Sakralisierung politischen Handelns, das sich in eine permanente dramatische Inszenierung transformieren sollte.
Die enorme Verantwortung der Architektur vor allen anderen Kunstformen wurzelte in der Wichtigkeit, die der Totalitarismus der Arbeit mit dem Raum gab, als Behältnis einer dem Charisma untergeordneten Masse, die hier selbst in ein weiteres architektonisches Element verwandelt wird. Im Sinne der exaltierten ideologischen Weltsicht des Totalitarismus wurde die Architektur als eine der stärksten Waffen unter den Kunstformen angesehen.
Wie am Beispiel Wien in der NS-Zeit ersichtlich, wurde Architektur als Machtinstrument für die Bevölkerungs- und Expansionspolitik des dritten Reiches instrumentalisiert.
Die in neun Themenkomplexe (Rasse und Raum, Macht und Symbolpolitik, der totale Krieg, u.a.) gegliederte Ausstellung »Wien. Die Perle des Reiches« Planen für Hitler im Architekturzentrum Wien wurde von Ingrid Holzschuh und Monika Platzer kuratiert. Das breite Spektrum der damaligen Stadt- und Raumplanung wird gezeigt anhand von zahlreichen Photos, Modellen und Plänen von Projekten, die nie wie geplant realisiert wurden. Sie stammen fast ausschließlich aus dem Architekturzentrum Wien Sammlungsbestand des Archivs Klaus Steiner und wurden mit Dokumenten aus anderen Nachlässen ergänzt. Außerdem gibt es noch Filmmaterial aus Amateur- und Propagandafilmen und ein Interview mit Klaus Steiner. Dessen jahrzehntelanger Recherchearbeit ist es zu verdanken, dass Originalmaterial aus einer Epoche gesammelt werde konnte, die in der Nachkriegszeit tendenziell aus Archiven und Biographien getilgt worden war.
Die Visionen und Planungen, die jetzt erstmals zu sehen sind, zeigen die Brüche ebenso wie die Kontinuitäten in der Stadtplanung auf. Ein Beispiel ist die Planung der Infrastruktur, wo das im dritten Reich projektierte U Bahn-Netz in seiner Streckenführung große Ähnlichkeiten mit dem heutigen aufweist. Wien sollte als Gauhauptstadt eine besondere Rolle im Dritten Reich spielen und Drehscheibe und Angelpunkt für Südosteuropa werden, auch in kultureller Hinsicht - als Vermittler deutscher Kultur. Planungen, wie die Monumentalachse über die Donau mit einer gigantischen Kuppelhalle („Gauhalle“) am Ende und der damit einhergehenden Umgestaltung (und ethnischen Säuberung) des 2. und 20. Bezirks, oder des „Weltflughafens“ Aspern wurden nie realisiert, ebenso wie städtebauliche Planungen für Prag, Krakau oder Bratislava. Nach Kriegsende ist vieles in den Schubladen der verantwortlichen Planer verschwunden, vernichtet worden oder in Vergessenheit geraten.
Projekte, die bis in die Gegenwart hineinwirken, wie die Flaktürme (im Abschnitt über den totalen Krieg) oder auch die Rathausgarage, zeigen, wie lohnend eine weitere intensive Auseinandersetzung mit dem Thema ist. (Text: Cem Angeli)