MIQUEL BARCELÓ. Vom Physischen zum Metaphysischen
Der Preis für Stierkampfbilder des Mallorquinischen Künstlers Miquel Berceló ist hoch. Noch bis zum 10.03.2013 widmet das Bank Austria Kunstforum in Wien dem Dokumenta- und Biennaleteilnehmer eine eigene Ausstellung. Ein Ausstellungs- und Künstlerporträt von CastYourArt.
Kuratiert von Florian Steininger, vereint die Werkschau Arbeiten aus allen wichtigen Stationen seiner Laufbahn. Barcelós Werk erfuhr erste Anerkennung im Jahr 1981, als er an der Biennale von Sao Paulo teilnahm. 1982 stellte er auf der Documenta in Kassel aus; 2009 vertrat er Spanien auf der Venedig-Biennale. In den sieben Sälen der Ausstellung sieht man sein Meer vor Mallorca, in fast dreidimensionalen Bildern, auch Keramiken, Bronzeplastiken, Wüstenbilder die in Mali entstanden, Bilder erotisch anmutender Früchte. In einem Raum sind Stierkämpfe und Kreuzigungen von Tieren zu sehen, in einem anderen Porträts, die an Negative erinnern. Die Arbeiten geben Zeugnis von seinen mediterranen Wurzeln und legen sie umso mehr frei, mit seiner sehr persönlichen Handschrift und seiner Art, unaufhörlich mit dem Material zu experimentieren.
Explosion von Farbe, Verwesung von Organischem, Schichtung von Material: Im Verhältnis zwischen dem Werk und dem Schöpfer, seinen Vorlieben und Ängsten, dem poetisch-turbulenten Magma aus Fischen, Muscheln, Affen, Menschen, Tintenfischen, Meeren, Wüsten, Gekreuzigten und Verwesenden sensibilisiert sich unser Auge für eine Ästhetik des Verfalls.
Seine mit einfacher Technik und viel Verständnis für den Geist des Tons hergestellten Keramiken, die Gefäße, Schalen, Teller mit ihrer organischen Optik und Haptik gehen in ihrer Form zwar auf ihre Funktion zurück, werden aber doch als Objekte der Betrachtung zu gleichsam rituellem Geschirr.
Barceló öffnet uns die Tür zu seinem Schaffensprozess, in dem das Material zum wesentlichen Ausdrucksträger wird, wo in den rauen Oberflächen der Bilder trotz aller spielerischen Sinnlichkeit etwas Widerständiges spürbar wird, das ernsthaft, fast gewalttätig ist. Man sieht die Ausbrüche sinnlicher Kreativität, aber auch eine Entfaltung von Nachdenklichkeit, Reflexion, Studium und fast schon buchhalterischem Festhalten von jenem, was in der Welt beobachtbar ist. Themen, die vom aufgewühlten Inneren des Schöpfers verfremdet werden.
Darsteller und Szenarien wiederholen sich, aber die Hauptsache ist, was aus dieser Zusammenschau hervorgeht. Es ist dabei nicht wichtig, ob Realität oder Fiktion - das Gefühl einen eigenen Platz in der Welt zu haben kommt ins Wanken, wenn der Untergrund beginnt sich zu bewegen. Unsere Umgebung wird instabil, ohne ständiges Zentrum, das unserer Existenz Sinn und Sicherheit gibt. Daher ist es unmöglich, ein allumfassendes Verhältnis herzustellen, die Formen die Welt zu denken werden von der Kunst und Fiktion hergestellt.
Barceló intendiert keinerlei Objektivität, sondern das Poetische als Stimulus für die Vorstellungskraft innerhalb einer Dialektik, die den konstruktiven Charakter seines Diskurses durchscheinen lässt. Das lässt uns den erhellenden Zauber der Werke schätzen - als Resultate von Barcelós inneren Streitgesprächen über die Fähigkeit des Kunstwerks, unsere Wirklichkeit zu zeigen. Der Künstler verteilt die Werke im Raum und den Raum in den Werken so, dass der Betrachter die Bilder durchqueren kann und seine eigene Erfahrung der Kontemplation hinzufügen kann. Raum und Farbe als vorgeschlagene Realität sind als Beispiel der Ausweitung zum Skulpturalen und Architektonischen konstruiert.
Barceló ist nicht urban oder poppig, die Natur zieht ihn an, auch riskante Sujets wie Zootiere. Er ist resistent gegenüber aktuellen Trends und seine Kunst existiert abseits vom Zeitgeist. Er ist einer der Künstler die sich ständig neu erfinden, Themen und Situationen neu aufgreifen um Figuren und Atmosphären wiederzuerzeugen und seine Sinne immer auf neue Dinge zu lenken, die ihn letztlich zu den Obsessionen hinführen, die ihn definieren und von denen er uns immer wieder erzählt, wenn er aus seiner Einsiedelei auftaucht. Eine fruchtbare Poetik, die mittlerweile sein unaustauschbares Markenzeichen ist. (Text: Cem Angeli)