LYONEL FEININGER UND ALFRED KUBIN. Eine Künstlerfreundschaft
„Mein lieber Bruder Kubin!“ Die Künstlerfreundschaft zwischen Alfred Kubin und Lyonel Feininger wird in der Albertina in Wien anhand von mehr als 100 Arbeiten gezeigt.
Alfred Kubin wendet sich 1912 an Lyonel Feininger, mit den Worten „Von den heutigen Zeichnern schätze ich Sie ganz besonders“ und dem Vorschlag, Werke zu tauschen. Feininger war schon 1910 von Kubins phantastischem Roman „Die andere Seite“ zur Serie „In der Stadt am Ende der Welt“ inspiriert worden und sah in Kubin einen weltanschaulichen „Seelenverwandten“, trotz aller Unterschiede in ihrem Werk.
Erstmals wird auch der Briefwechsel der beiden Künstler komplett vorgelegt. 37 Briefe, mit Fotos und Zeichnungen, finden sich im Katalog abgedruckt, der letzte aus 1919. Vermutlich sind sich die beiden nur zwei Mal persönlich begegnet, wobei ein Besuch Kubins 1913 in Berlin bei Feininger nachgewiesen ist.
Die Albertina stellt das Werk der beiden Freunde anhand von rund 100 Gemälden und Grafiken in Themenblöcken gegenüber („Die Stadt am Ende der Welt“, „Promenade“, „Karneval, Aufruhr, Krieg“, „Eisenbahn und Schiffe“...) Die Ausstellung zeigt, was die beiden verbunden hat, aber auch die Unterschiede. Gemeinsam war ihnen die Vorliebe für das zeichnerische, das kleine Format, das Karikaturale, das Verzerrte und Traumartige. Ausgehend von den frühen Zeichnungen Kubins und den Karikaturen Feiningers zeichnet die Ausstellung die weitere künstlerische Entwicklung beider nach, konfrontiert die Arbeiten der beiden Künstler und stellt so Wechselbeziehungen und Zusammenhänge her. Durch den Briefwechsel wird deutlich, dass sich Feininger und Kubin sich trotz aller Unterschiede künstlerisch und menschlich sehr nahe standen.
Kubin und Feininger, der als Sohn eines deutschen Musikers in New York geboren wurde und mit 16 mit seinen Eltern nach Europa übersiedelte um Violine zu studieren, lernten sich kennen, als ihre Karrieren an verschiedenen Punkten waren. Alfred Kubin brachte Feininger 1913 mit seinen Freunden vom Blauen Reiter in München in Kontakt, so wurde Feininger im gleichen Jahr von Franz Marc zur Teilnahme am „Ersten Deutschen Herbstsalon“ in der Galerie Der Sturm in Berlin eingeladen, was ihm letztlich den Durchbruch als Maler einbrachte.
Lyonel Feininger war in seiner Frühphase ein bekannter Karikaturist und satirischer Zeichner, er arbeitete für Blätter, die Kritik an den politischen Zuständen im Kaiserreich übten, wie etwa für den „Ulk“, die „Lustigen Blätter“, „Das Narrenschiff“, „Das kleine Witzblatt“„Berliner Tagblatt“ aber auch für amerikanische Illustrierte wie „Harper’s Round Table“ oder „Harper’s Young People“. Später wandte er sich immer mehr der Malerei zu, wie die Ausstellung dies anhand einer Reihe von frühen Gemälden dokumentiert.
Auf erste Ausstellungserfolge folgt 1919 der Lehrauftrag ans Weimarer Bauhaus, und ab jenem Jahr brach der Briefkontakt zu Kubin ab. Gemeinsam mit Wassily Kandinsky, Paul Klee und Jawlensky gründete er ab 1924 die Ausstellungsgemeinschaft „Die blauen vier“. 1937 übersiedelte er zurück nach New York. In der NS-Zeit galten seine Werke als „entartete Kunst“.
Die Albertina besitzt von Kubin dank einer Verfügung des Künstlers den größten Kubin-Bestand, 2.000 Arbeiten, der Künstler hatte sein Werk drei Jahre vor seinem Tod zwischen Wien und dem oberösterreichischen Landesmuseum gegen eine kleine Leibrente aufgeteilt.
Konzipiert wurde die Schau vom Feininger-Spezialisten Ulrich Luckhardt, dem Leiter der Internationalen Tage Ingelheim, während der Kubin-Teil von Albertina-Kuratorin Eva Michel betreut wurde.
Die Ausstellung macht deutlich, dass die beiden voneinander inspiriert wurden, zeigt aber auch die Unterschiede : Feininger entwickelte sich von der Grafik seiner Anfänge zu seiner farbigen, fast abstrakten, Malerei, während Kubin zeitlebens isoliert in Zwickledt blieb und weiterhin seinen Obsessionen und ständigen inneren Krisen Ausdruck verlieh. (Text: Cem Angeli)
https://www.albertina.at/