CONSTANTIN LUSER. Musik besänftigt die wilde Bestie
Constantin Luser fordert heraus, das Labyrinth seiner Vorstellung zu betreten. Er drängt uns an die Wand unserer Gleichgültigkeit und konfrontiert mit der unvermeidlichen Frage, ob wir fähig sind zu entkommen. Aber wem oder was entkommen? Ein Künstlerportrait.
Musik besänftigt die wilde Bestie, auf alle Fälle aber hat Musik die Kraft, die Unbändigkeit unseres Denkens zu zähmen. Wenn das passiert – und sei es auch noch so selten – ist die Vorherrschaft der Begriffe getilgt und wir sind für einen Moment geheilt von jener Krankheit, die uns von der Zeit trennt: Von Rationalität. Wenn Musik in diesem Sinne passiert, steht die Zeit still, dehnt sich aus, wächst an und kann nicht gemessen werden, sondern geht über ins Blut.
Die Behandlung besteht nicht darin, die Krankheit zu überwinden, sondern sie zu ergreifen und in eine Melodie zu verwandeln. Das Geheimnis der Stille, die uns umgibt – Existenz an sich – hat seinen Grund in der Überraschung und im Trost jener Töne, die wir als Medizin gegen unsere Krankheit produzieren. Es ist wahr. Jedes Instrument ist geeignet – sofern es diese Beziehung mit der Magie der Stille wachzurufen vermag.
Um unser Verlangen zu stillen, bietet uns der Künstler Constantin Luser ein Objekt an mit einem vorgestellten Subjekt. Alle Bestandteile des Objekts haben ihren durch Funktion und Bedeutung bestimmten Platz. Das Objekt selbst hat Vorherrschaft über seine Teile, während der Raum selbst und der Platz und die Rolle die dem Menschen in ihm zugewiesen werden, begründende Elemente der Arbeit sind und neue Bereiche der Erfahrung schaffen.
Es gibt keine Form ohne ihr Gegenteil. Sie schaffen eine Bedeutungseinheit in der das Negative ein Abdruck des Positiven ist. Abwesenheit (Leben), Anwesenheit (Ton) und der Wille zur Strukturierung und Nutzung von Raum. Und wohin führt das alles? Zu Chaos? Zu Ordnung? In anderen Worten, zur Ordnung der Welt...? Der wesentliche Schlüssel ist der persönliche Zugang des Künstlers, der Fluss in den er sich als Vermittler einschreibt, um in der kollektiven Alterität eine Saite zum Schwingen zu bringen.
Constantin Luser schafft einen Ort, der zu einer Utopie, einem Nicht-Ort gehört ... wo das Abstrakte, die Abwesenheit von Ton eine Konsequenz ist der Anwesenheit des Körpers und eine Möglichkeit ihn zu deuten. Das Unmögliche des Realen, sein Geist wäre sonst nicht erfassbar. Es würde nicht zusammen kommen mit dem individuellen Leben, das immer eine Wiederbelebung seiner Abstraktion ist. Wann auch immer wir eine offene Form schaffen, wird sie gefüllt mit Gedanken. Das ist die Fähigkeit der Form: sie kann nicht verhindern etwas Ungeformtes heraufzubeschwören.
Ohne den Bruch, den die neue Form auf gewalttätige Weise hervorruft, wären wir nicht fähig, der Rückkehr von Bedeutung in die Kakophonie unserer Existenz Gehör zu schenken. Gibt es irgend etwas Seltsameres als unsere Existenz? Musik ist da, weil die Bedeutung von Unmittelbarkeit buchstäblich unübersetzbar – unvermittelt – ist.
Statt Rekonstruktion treffen wir in der Arbeit Constantin Lusers auf Konstruktion, auf Installation, die nicht das Augenscheinliche reproduziert, sondern dass Unsichtbare zum Vorschein bringen. Der Impuls seiner Arbeit hat seinen Ausgangspunkt in diesem kunstruktivistischen Kern, der nicht nur die Kreation von der Aufgabe emanzipiert zu repräsentieren, sondern sie ausrichtet auf die Schaffung von Raum und Zeit mithilfe von Ton, Gebärde und Dramaturgie.
Der Künstler zeigt den letztendlichen Sinn der Formen und richtet ihn aus auf die Wirbelbildung einer animistischen Realität. Als ein Ergebnis ihrer Kraft die Welt zu formen, existieren die Strukturen nicht nur für sich selbst, sondern besitzen die Eigentümlichkeit hin und her zu wandern zwischen dem bloß Augenscheinlichen und dem Irrealen. In diesem Hin- und Herspringen übersteigt das poetische Moment das bloß Existierende um das Mögliche, das Virtuelle, zu visualisieren. Grenze und Metamorphose also, denn letztlich geht es um eine Verschiebung, in der ausgehend von der physischen, materiellen Beschränkung des Daseins ein Veränderungsprozess einsetzt: eine Verwandlung des Sinnenhaften, das in das Flattern einbricht, das andauernde Fließen unserer inneren Stimme. (Text: Cem Angeli / Übersetzung: Wolfgang Haas)
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