VAL WECERKA. Was ist zu Hause?
Proportionen, Ebenen, Materialien, Farbe, Formen, Hintergründe, Material – die phänomenologischen Merkmale der Arbeiten von Val Wecerka verweisen auf die Bedingungen unserer Wahrnehmung der Wirklichkeit. Es gibt hier keinen statischen Blick – es sind dynamische Felder, die die Mitwirkung des Betrachters verlangen.
Die Einzelelemente mit ihren skulpturalen Bezügen fordern ihren Anteil an der Dreidimensionalität ein, das Bild als symbolischer Raum wird jedoch durch die physische Dimension begrenzt, die die Künstlerin versucht, eins ums andere Mal zu transzendieren. Wenn man die ausgefüllten Bildebenen ansieht, kommt man nicht umhin, an Weberei und Stickerei zu denken, Tätigkeiten, in deren Sorgfalt und Strenge ein Teil ihrer Schönheit liegt. Die gestischen Wiederholungen sind teils mit einem sehr femininen traditionellen Aspekt verbunden, der Handarbeit, weitergegeben von Generation zu Generation.
Sie entfremdet Funktionen der verwendeten Materialien, aber behält deren Assoziationen – sie fängt immer mit der Wahrnehmung an, die sie psychologisch interessiert, ganz intuitiv. Sie bringt Dinge zusammen, die nicht unbedingt zusammengehören und baut einen Raum, ihren Raum damit auf, mit Materialien, die sie an etwas erinnern.
Für Wecerka gibt es nichts Fixes. Ihre Kunst pendelt zwischen Konstruktivität und Irrationalität, Appropriation und Kreation, dem Kollektiven und dem Subjektiven, zwischen Realität und Fiktion. Ihre Werke zeigen Wiederholungen, entweder fügen sich einzelne Elemente zu Schriftbildern oder geometrischen Anordnungen zusammen oder zwei figurative oder abstrakte Malereien bilden ein doppeltes Bild.
Die erste Reaktion des Betrachters ist eine Mischung aus Verwirrung und Irritation. Unwillkürlich sucht man die „Message“ und beginnt die Bildelemente miteinander zu vergleichen und in den nichtfigurativen Kompositionen nach Differenzen zu suchen.
Die Variationen, die bei näherer Betrachtung zu Tage treten, zeigen die handwerkliche Prozesshaftigkeit, Val Wecerka geht dabei gegen jede Form banaler Gewissheit vor. Sie zeigt Röntgenbilder ihres Inneren. Die Praxis der verschiedenen Techniken, der erweiterten oder verdoppelten Zeichnung mit seinen Anteilen von Ritual und Erfahrung, Universalität und Individualität, dieser ständige Dialog produziert, obwohl in Objekten manifestiert, nichts Konkretes, sondern ein permanentes Gleichgewicht, eine Art notwendiger Handlung, die zur Ausgeglichenheit strebt.
Die Elemente, die auf gewisse Weise gruppiert sind, geometrisch oder als Schrift, zeigen die Möglichkeit einer Neulektüre der Realität, wobei die Arbeiten sich auch sogar manchmal -in sich oder gegenseitig- widersprechen: Man könnte sie sowohl als konservativ und als revolutionär, als zurückhaltend und als impulsiv bezeichnen.
Das Ordnungsprinzip liegt in der Abfolge von Farben, Formen und Zeichen, doch anstatt dass die Struktur Schritt für Schritt zu analysieren ist, sind es Bilder, die synthetisch erfasst werden müssen. In diesen zu dechiffrierenden Strukturen liegen widersprüchliche Informationen, die dennoch eine suggestive Ordnung besitzen.
Die plastische Einheit bildet das Fundament ihrer Ästhetik, wobei das wandelbare Alphabet, das aus Elementen besteht, die sich zu einer anderen Figur zusammenfügen können, unbegrenzte Möglichkeiten erlaubt.
Der Eintritt in diese neue räumliche Dimension vollzieht sich jedoch allmählich. Die anfänglichen Versuche scheinen in erster Instanz die plastischen Komponenten dieser neuen Bildsprache nur aufzuzählen, zu benennen.
Val Wecerka eröffnet so einen Reflexionsraum, um über Fragen nachzudenken. Um ihre ureigenen Themen - Identität, Verlust, Aneignung- herum hat sie, indem sie neue Möglichkeiten der Abstraktion zulässt, ihren eigenen linguistischen Kode neu bestimmt. (Text: Cem Angeli)