RAFFAEL. Ein Universalgenie der Hochrenaissance
„Raffael war ein wahnsinnig ökonomischer Zeichner, der große Emotionen mit nur wenigen Strichen umsetzen konnte“, so Achim Gnann, Kunsthistoriker und Experte für die italienische Kunst des 15. bis 19. Jahrhunderts, der fünf Jahre an der Konzeption der neuen Ausstellung im Museum Albertina gearbeitet hat. Diese umfasst rund 130 Zeichnungen und 18 Gemälde, darunter Leihgaben aus dem Louvre, dem Vatikanischen Museum, den Uffizien in Florenz und dem Ashmolean Museum in Oxford.
In Fokus dieser Werkschau mit den wichtigsten Schaffensperioden des früh verstorbenen Meisters (1483-1520) steht vor allem sein Arbeitsprozess, von der ersten Skizze bis zum fertigen Gemälde. Unter diesen befindet sich auch die „Madonna dell' Impannata“ aus dem Palazzo Pitti, die mit Unterstützung der Albertina restauriert wurde. Das Porträt des Auftraggebers für dieses Bild, der römische Bankier Bindo Altoviti, ist auf dem Plakat und Katalog der Ausstellung abgebildet.
Geboren in der Kleinstadt Urbino, war Raffaello Sanzio bereits mit elf Jahren Lehrling bei Pietro Vannucci, genannt Perugino. In Florenz wurde er später von Mäzenen u.a. mit Porträts und Madonnenbildern beauftragt, wobei eine der berühmtesten die "Sixtinische Madonna“ ist, sie heute in der Dresdner Gemäldegalerie zu finden.
Der viel beschäftigte Raffael, der in Umbrien, Florenz und zuletzt in Rom tätig war, hatte Aufträge von Fürsten, Geschäftsleuten und Päpsten, er übernahm die Gestaltung der Stanzen, -der Privatgemächer von Papst Julius II- im Palast des Vatikan und wurde später zum Leiter des Fortbaus des Petersdoms sowie zum Baumeister des päpstlichen Palastes ernannt.
Die Albertina besitzt seit ihrer Gründung 1776 an die 50 Werke des Meisters, in dieser Schau liegt ein Schwerpunkt auf Raffaels Zeichnungen, seinen Skizzen und akribischen Detailstudien. Weniger als eigenständige Werke, waren diese ihm eher Hilfsmittel im Hinblick auf das spätere Gemälde, sowie anschauliche Instruktion für die Mitarbeiter seiner Werkstatt.
Die Entwicklung von Raffaels Karriere und seine einzelnen Arbeitsschritte, die Entstehung seiner Sujets, werden in einem größeren Werkkontext in der chronologisch angeordneten Schau vorgestellt. Wandbilder sind neben den sie betreffenden Zeichnungen oft ausschnitthaft reproduziert oder als Projektionen zu sehen. Aus den Uffizien wurde ein Selbstporträt von 1506 ausgeliehen, vom Louvre die „Madonna mit blauem Diadem“ (1511) und der „Heilige Georg und der Drachen“ (1505). Oft gibt es Detailstudien, etwa von Händen - präzise Körperstudien, Gesichts- und Kompositionsstudien waren essentiell für Raffaels Schaffensprozess. Diese sind in der Schau Schritt für Schritt nachvollziehbar.
Beim „Kindermord von Bethlehem“ sind Veränderungen an den Kompositionsskizzen zu erkennen, dieses Sujet ging aus einer Studie für „Das Urteil des Salomo“ hervor.
Am Ende der Ausstellung steht sein letztes Gemälde, die „Transfiguration“, entstanden zwischen 1516 und 1520. Hier sind es Kopf- und Handstudien für die Apostel, die Entstehung und Verlauf der Bildkomposition nachvollziehbar machen und einen Einblick in den Schaffensprozess von einem der einflussreichsten Künstler der Renaissance gewähren. (Text: Cem Angeli)