Die Acht - Ungarns Highway in die Moderne
Neuigkeiten, auch wenn sie 100 Jahre alt sind: Im Bank Austria Kunstforum sind vom 12. September bis zum 2. Dezember 2012 die Pioniere der ungarischen Moderne in einer einmaligen Werkschau gemeinsam zu besichtigen.
Ihre Namen sind hierzulande weitgehend unbekannt und doch sind sie Teil der Entwicklungsgeschichte der europäischen Moderne: Róbert Berény, Dezsö Czigány, Béla Czóbel, Károly Kernstok, Ödön Márffy, Dezsö Orbán, Bertalan Pór, Lajos Tihanyi. Sie alle wurden in dem relativ kurzen Zeitraum zwischen 1873 und 1887 geboren, wobei Dezs? Orbán (*1884) sogar bis 1986 lebte. In der ungarischen Hauptstadt wurde die Moderne in der Malerei durch die acht ungarischen Künstler abseits von Wien entdeckt, wo die Malerei zu jener Zeit von Gustav Klimt dominiert war. In Paris, wo sich die Acht auch kennenlernten, haben sie die großen Erneuerer jener Zeit studiert und sich an ihnen orientiert - diese Einflüsse sind in der thematisch angeordneten Ausstellung des Kunstforums durchaus offensichtlich. Die Werke der Künstler, vor allem die von Robert Berény, sind jedoch keineswegs als epigonale Kopien der Pariser Vorbilder anzusehen.
Der direkte Kontakt mit den Fauves um Henri Matisse, die Auseinandersetzung mit Cézanne, mit dem französischen Kubismus von Picasso und Braque, all dies revolutionierte ihren eigenen Zugang zur Malerei. Sie haben um 1909/10 durch ihren Anschluss an die europäische Moderne die ungarische Malerei in eine neue Epoche geführt.??
„A Nyolcak“ (Die Acht) stellten 1909 in Budapest erstmals zusammen aus und verursachten einen Skandal. Sie schockierten das an akademischen Spätimpressionismus und Symbolismus gewöhnte Publikum mit ihren unkonventionellen Sujets und Kompositionen, mit ihren kubistischen Figuren und knallig leuchtenden Farben.
Sie standen ab dieser ersten Skandalausstellung auch in Verbindung mit Geistesgrößen ihrer Zeit, wie dem Komponisten Béla Bartók und Zoltán Kodály, mit dem Philosophen György Lukács und dem Schriftsteller Endre Ady und gründeten eine neue Kunstzeitschrift, "Nyugat" (Westen). Trotz aller stilistischer Verschiedenheiten der einzelnen Künstler suchte die Gruppe ihre unkonventionell-expressionistische Malweise fortzuführen und zeigte insgesamt drei große gemeinsame Ausstellungen. 1912 bestand die Gruppe allerdings nur mehr aus vier Mitgliedern, bis sie schon 1914, anlässlich ihrer dritten Ausstellung im Wiener Künstlerhaus, endgültig zerbrach.
Béla Czóbel, Dezsö Czigány, Robert Berény, Lajos Tihanyi und Bertalan Pór lehnten sich stark an die Fauves an, besonders bei Stilleben und Landschaften, nahmen auch formale Anleihen bei Cézanne und den Kubisten, zeigten aber eine eigene Annäherung an die menschliche Figur. Die Kunstkritik im Ungarn von 1909 war vernichtend, die Rede war von einer "Schule der Geschmacklosigkeit", von Primitivität und der Pathologie der Figuren. In Wien waren "Die Acht" 1914 vom Künstlerhaus eingeladen, doch wurden die Beiträge von Róbert Berény und Lajos Tihanyi von der Jury abgelehnt. Die konservativeren Mitglieder Márffy, Orbán, Kernstok und Czigány stellten ihre Arbeiten aus und Bertalan Pór trat mit beiden Abgewiesenen danach aus Protest aus der Gruppe aus.
In Ungarn selbst wurden die Künstler erst 2010 mit einer großen gemeinsamen Schau gewürdigt. Das Bank Austria Kunstforum nimmt hier in Kooperation mit dem Szépm?vészeti Múzeum, Budapest und der Magyar Nemzeti Galéria, Budapest den Dialog mit unserem Nachbarland wieder auf und setzt sich zum Ziel, diese bis jetzt zu wenig bekannte Ungarische Moderne international zu positionieren und ihr zu dem Bekanntheitsgrad zu verhelfen, der ihr aufgrund ihrer Qualität zusteht.
Der zur Ausstellung erschienene reich bebilderte Katalog bringt ausführliche Informationen zu den Werken und Biographien, der Geschichte der Gruppe, den Kontroversen und der damaligen Kunstkritik einen guten Einblick in eine ganze Epoche der Kunstgeschichte. Das Bank Austria Kunstforum hat täglich von 10 bis 19 Uhr und Freitags verlängert bis 21 Uhr geöffnet. (Text: Cem Angeli)