MAN RAY. Unbekümmert aber nicht gleichgültig
„Unconcerned but not indifferent“ (Unbekümmert aber nicht gleichgültig): Die Inschrift am Grab Man Rays am Friedhof von Montparnasse spiegelt seine vielschichtige künstlerische Haltung wider.
Als das Kunstforum 2016 eine Besucherumfrage machte, welchen Künstler das Haus zeigen solle, fiel die Wahl auf Man Ray. Das Kunstforum Wien ermöglicht nun in dieser ersten großen Retrospektive in Österreich einen Blick auf das Gesamtwerk des Künstlers, anhand seiner Lebensstationen (von New York nach Paris, während der NS-Zeit zurück nach New York, danach bis zu seinem Tod wieder in Paris) und seiner mit Schlüsselwerken illustrierten künstlerischen Schwerpunkte. 150 Werke von internationalen Leihgebern hat Kuratorin Lisa Ortner-Kreil zusammengestellt, darunter Gemälde, Fotografien, Objekte, Papier-Arbeiten, Collagen, Assemblagen und Filmarbeiten.
1890 als Emmanuel Radnitzky in Philadelphia geboren (gest.in Paris 1976), gilt Man Ray als eine Ikone der Kunst des 20. Jahrhunderts, nicht nur als Pionier der Fotografie, sondern als ein Universalkünstler. Spielerisch bediente er sich einer Unzahl an künstlerischen Medien und Techniken.
Er wollte zwar zunächst als Maler anerkannt werden, trug jedoch maßgeblich zur Anerkennung der Fotografie als Kunst bei. Als wahrer Multimedialist setzte er sich über Genregrenzen hinweg und arbeitete zusätzlich zur Fotografie und Malerei auch an Skulpturen und Film. Als Surrealist und Avantgardist revolutionierte er die Mode, die Werbung und das Porträt.
Zu sehen sind im Kunstforum nicht nur stark von Fauvismus und Kubismus beeinflusste Werke aus der Zeit um 1914, sondern auch wesentlich frühere Zeichnungen und auch das Gemälde "The Rope Dancer" aus 1916 mit einer dazugehörigen Studie.
Das Interesse am Primitivismus übernahm er von Pablo Picasso und den Kubisten, in seiner Zeit in Paris traf er auch mit Surrealisten wie Louis Aragon oder Andre Breton zusammen. Mit Marcel Duchamp verband ihn eine lebenslange Freundschaft, aus der auch zahlreiche Kollaborationen entstanden.
Viele Werke Man Rays gelten heute als Inkunabeln des Surrealismus, wie „Cadeau“ (1921), das mit Nägeln gespickte Bügeleisen -Man Rays „Geschenk“ für Erik Satie-, der Rosshaar-Cellokopf, das Metronom, auf dessen Zeiger ein Auge zu sehen ist, und natürlich die in Stoff verschnürte Nähmaschine von1920, eines der ersten Werke seiner Art überhaupt, das im Anschluss viele Künstler bis hin zu Christo beeinflusste.
Berühmte Bilder, wie etwa "Le Violon d'Ingres" aus 1924, mit der nackten Rückansicht von Kiki de Montparnasse, sind zahlreich in der Ausstellung vertreten. Viele Fotografien der Schau zeigen berühmte Zeitgenossen wie Coco Chanel, Picasso oder Arnold Schönberg. Auch manche von Man Rays Musen und Geliebten finden sich auf seinen Schwarz-Weiß-Fotos, und später auch auf Solarisations-Fotografien. Das fotografische Verfahren der Solarisation erfand er 1927 gemeinsam mit seiner Assistentin und Geliebten Lee Miller. Untrennbar mit dem Künstler verbunden sind auch seine "Rayographien", die Fotografien ohne Kamera.
Man Ray malte, zeichnete, designte, schrieb kunsttheoretisches, drehte Filme, gestaltete Bücher und Zeitschriften und hatte enormen Erfolg als Modefotograf, wovon Titelblätter von „Vogue“ oder „Harper´s Bazaar“ zeugen. Man Ray gelang es, Malerei und Fotografie, avantgardistisches Experiment und kommerzielle Fotografie miteinander zu vereinen, er befreite die Fotografie von ihrer Dokumentarfunktion und erhob sie zur Kunstform.
Die eindrucksvolle Wandlungsfähigkeit Man Rays zeigt sich nicht zuletzt daran, wie er sein Bohemien-Leben mit dem als Fotograf der Oberen Zehntausend verband und an der Leichtigkeit, mit der er sich in verschiedenen sozialen Milieus bewegte. Gleichzeitig gelang es ihm bemerkenswerterweise, sich aus den Konflikten und Streitigkeiten innerhalb der Avantgarde weitgehend herauszuhalten. (Text: Cem Angeli)
Die Ausstellung ist noch bis 24. Juni 2018 im Bank Austria Kunstforum zu sehen.