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LIEBE IN ZEITEN DER REVOLUTION. Künstlerpaare der russischen Avantgarde

23. Oktober 2015

„Nieder mit der Kunst, lang lebe die Technik!“ war 1920 die Losung im Produktivistenmanifest von Alexander Rodschenko und Varvara Stepanova. Die künstlerische Entwicklung der russischen Avantgarde von der Malerei zur Produktionskunst wird im Bank Austria Kunstforum in Wien anhand von fünf Künstlerpaaren gezeigt.

Illustration des Niedergangs der Bourgeoisie oder des Aufstiegs der neuen Arbeiterklasse? Gemeinsam ist allen Positionen die Ablehnung der Vergangenheit und Geschichte, was die revolutionäre Praxis ebenso betrifft wie die Kunstproduktion der russischen Avantgarde.

Die Ausstellung „Liebe in Zeiten der Revolution“, im Kunstforum Bank Austria zeigt einen großen Abschnitt der Russischen Avantgarde. Anhand von 5 Künstlerpaaren wird, kuratiert von Heike Eipeldauer und Florian Steininger, die Aufbruchsstimmung und weitere Entwicklung der Kunstauffassung in jenen revolutionären Zeiten nachvollziehbar. Dieses neue Kunstverständnis äußerte sich auch in einer Häufung von gemeinsam produzierenden Künstlerpaaren, wobei sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen durch die Oktoberrevolution entscheidend geändert hatten.

Die Gleichberechtigung der Frau und Sozialreformen – betreffend Scheidungsrecht, Abtreibung, Ehebruch, Homosexualität und anderes- die weiter gingen, als je zuvor bis dahin in der Geschichte, förderte die Bildung von gleichberechtigt arbeitenden Künstlerpaaren, so die These der Kuratoren. Der vorherrschende Geniekult wurde in Frage gestellt, und die kollektive Schöpfung trat in den Vordergrund.

Alexander Rodtschenko und Warwara Stepanowa, Natalja Gontscharowa und Michael Larionow, Ljubow Popowa und Alexander Wesnin, Olga Rosanowa und Alexej Krutschonych sowie Valentina Kulagina und Gustav Klutsis sind die Künstlerpaare, anhand derer dieser Teil der Geschichte der russischen Avantgarde nicht nur kunsthistorisch, sondern auch in gesellschaftlicher und privater Hinsicht, einschließlich biographischem Material, beleuchtet wird.

Die russische Avantgarde erreichte ihren Gipfel der Kreativität und Popularität in der Zeit zwischen 1917 und 1932, wo dann schließlich die Ideen der modernen Kunst und Freiheit mit der sowjetischen Idee des sozialistischen Realismus konfrontiert waren, mit dem bekannten traurigen Resultat. Dennoch, einige Jahre zuvor fand sich die russische Kunst an der Vorhut der Weltkunstproduktion. Die Jahrzehnte der Reform der Malerei in Frankreich wurden in Russland auf 15 Jahre komprimiert.

Parallel zur revolutionären Epoche in Russland trat ein Wechsel des Konzepts des künstlerischen Ausdrucks und geistigen Gehalts des Werks auf. Zu den eklektizistischen modernistischen und monumentalen Strömungen gegen Ende des Zarismus kamen im Panorama der russischen Kunst neue Tendenzen auf. Die Avantgarde, die von einer anderen Auffassung des Naturalismus und Realismus als die traditionelle Kunst ausging, fand neue Bezugspunkte und andere Inspirationsquellen in Perspektive, Farbwahl, Darstellung und Realitätswahrnehmung als Basis für eine neue Form des Ausdrucks. Der Rayonismus beispielsweise, ein ästhetischer Sonderweg der Moderne, mit einem besonderen Platz innerhalb der Bewegungen der Epoche, ist mit einigen schönen Arbeiten in der Ausstellung vertreten.

Die Auffassung von der Figur des Künstlers und seinem Beitrag zur Gesellschaft veränderte sich soweit, bis er/sie als ein Produktionsmittel angesehen wurde, das der Revolutionsidee diente und im Einklang mit der zeitgenössischen Welt war. Manche Künstler opferten ihre kreative Freiheit und gliederten das Kunstwerk in die kollektive Produktion ein, so wie in der Montagekette irgendein Werkzeug hergestellt wird. Die Künstler waren hier nur ein weiteres Element im Produktionsprozess.

Es handelt sich hier dennoch nicht nur um schöne Werke, sondern um dynamische und provokante Visionen, die über die Jahre nichts an ihrer Ausdruckskraft eingebüsst haben. Es sind sehr lebendige Kunstwerke, die die künstlerischen und revolutionären Hoffnungen einer ganzen Künstlergeneration verkörpern und Larionow, Gontscharowa, Rodtschenko, Stepanowa und die anderen zu wesentlichen Pionieren der abstrakten Kunst des 20. Jahrhunderts machen. (Text: Cem Angeli)

https://www.kunstforumwien.at/


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