JIM DINE. A Serious Man
Zwillinge, auch wenn sie ganz genau ident aussehen, werden, wenn auch mitunter durch Sinnestäuschung verwechselt, doch nicht miteinander durcheinandergebracht und als zwei verschiedene Personen erkannt. Es gibt etwas, das den Einzelnen jeweils einmalig macht und es ermöglicht, sie zu unterscheiden, abgesehen von der gemeinsamen Physiognomie. Dies ist ihre jeweilige intime Wirklichkeit, auch als Persönlichkeit benennbar, im Sinne von individueller Differenz, die jede Person von einer anderen unterscheidet.
Im Falle des Selbstporträts offenbart die Darstellung der Physiognomie allerdings auch einiges über den Urheber selbst. Jim Dine beobachtet sich seinem dritten Lebensjahr selbst im Spiegel, er zeichnet sich auch als Maler, aber die Figur bezieht sich nicht auf sich selbst, die Porträts distanzieren sich vom Modell. Die Praxis des Selbstporträts hat viel von einer psychologischen Übung der Darstellung dieser höchsteigenen Persönlichkeit, die über die Gesichtszüge hinausgeht. Sie versucht das Innenleben der Person abzubilden, das was vom Ausführenden gekannt werden kann und das ihn ausmacht, erläutert Museum Albertina Direktor Klaus Albrecht Schröder im Interview anlässlich der Ausstellung "Jim Dine - I never look away".
Leon Battista Alberti meint in De Pictura, Narziss sei derjenige, der die Malerei wirklich erfunden hat, nicht weil er die perfekte Imitation seines Bildes entdeckt und sich in sie verliebt, sondern weil er sich selbst als Bild wiedererkennt, also die Bildhaftigkeit seines Selbst erkennt.
Diese Entdeckung der Malerei, von der erzählt die Aufeinanderfolge der Selbstbildnisse Jim Dines, von denen er 232 dem Museum Albertina als Schenkung vermacht hat. Die frühesten stammen aus den 50er Jahren, die letzten aus dem Jahr 2016, die ihn als 80jährigen zeigen. (Text: Cem Angeli)