IRENE ANDESSNER. Art Protectors
Im Rahmen der Ausstellung "Goldenes Zeitalter. Holländische Gruppenporträts aus dem Amsterdams Historisch Museum", die vom 9. September bis einschließlich 21. November 2010 im Kunsthistorischen Museum zu sehen ist, zeigt die österreichische Künstlerin Irene Andessner ihre beiden jüngsten Arbeiten »Art Protectors« und belebt damit das Tableau vivant neu. Dieser Beitrag konnte mit freundlicher Unterstützung des UNIQA ArtCercles verwirklicht werden.
Mit Art Protectors inszeniert Irene Andessner im Kunsthistorischen Museum ein zweiteiliges Tableau vivant nach dem Vorbild holländischer Regentenbilder. Ausgangspunkt sind zwei Gemälde Jan de Brays aus dem Jahre 1667. Sie zeigen den Verwaltungsrat des Lepra-, Pest- und Irrenhauses, jene Vorstände bzw. Schirmherren, die dieses verwalten und finanziell unterstützen. In ihrer zeitgenössischen Reinterpretation des Themas ersetzt Andessner das Personal beider Bilder durch Förderer von Kunst: Sammler, Galeristen, eine Museumsdirektorin, einen Kurator.
»A person is never himself, he is always a masc.« (Achille Bonito Oliva) Dabei dient die Maske als Instrument der Identitäts-De/konstruktion. Die Maske ist je nach Kultur und Gebrauch unterschiedlich konnotiert. Dabei dient das Gesicht der Grenzziehung zwischen Innen und Außen, Eigenem und Fremdem, dem Zeigen und Verbergen-Wollen von Affekten und Gefühlen. Insbesondere die Regentenbilder der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts weisen einen äußerst strengen Bildaufbau auf. Große Aufmerksamkeit hingegen wurde auf Details gelegt, die Formulierung des sozialen Status der Dargestellten. Diese Repräsentationen des Selbst nachzuinszenieren markieren den Mittelpunkt von Andessners Arbeiten. Dabei inszeniert sich die Künstlerin stets auch selbst in unterschiedlichen Rollen – hier in der der Protegierten.
Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts entwickelte sich ein Verständnis für die gesellschaftliche Funktion von Kunst. In Frankreich setzten an Kunst interessierte Bürger und Kritiker den Zugang zu den königlichen Sammlungen durch. Im Pariser Palais de Luxembourg wurde in der Folge eine Sammlung von Gemälden eingerichtet. Diese wurde später im Louvre untergebracht. Auch in der Wiener Hofburg waren zu diesem Zeitpunkt bereits in den Räumen der heutigen Geistlichen Schatzkammer Bestände des Kaiserlichen Hauses öffentlich zugänglich. Indes wurden Ende des 18. Jahrhunderts erste Stimmen gegen diese staatlich kontrollierte Kulturpolitik laut. Kunst löste sich immer mehr aus dem höfischen Umfeld und dessen Repräsentationswünschen. Immer häufiger gaben Bürger Kunst in Auftrag, wurden zu deren Protektoren und Schirmherren, sammelten und rezipierten Kunst. Über ihren Umweg entfaltete sich ein selbstbewusstes Bürgertum, drangen bürgerliche Werte in die Gesellschaft.
Zum ersten Mal überliefert wird die Aufführung eines lebenden Bildes 1761, als am Pariser Theater ein Gemälde von Jean-Baptiste Greuze als Bestandteil eines Theaterstücks nachgestellt wurde. Als Begriff ist Tableau vivant seit 1818 fassbar. Tableaux vivants reflektieren und interpretieren Werke. Verfolgten sie ursprünglich das Ziel einer Verlebendigung vorangegangener Epochen unter Aufhebung des historischen Abstands, fungieren sie bei Andessner als zeitkritische Metaphern. Andessner geht über das Reproduzieren der Vorlage hinaus. Die Vorbilder, durch Veränderung der Requisiten, Kleidung etc. auf das Wesentliche entkleidet, enthüllen ihre Verbindung zur Gegenwart.
Derzeit ist der Besuch von Galerien und Museen, aber vor allem das Sammeln von Kunst weltweit populär wie noch nie. Virulent erscheint die Frage nach dem Einfluss, der Macht von Sammlern sowie den sozialen, politischen, ökonomischen und kulturellen Kontexten des Sammelns – aber auch nach der gesellschaftlichen Verantwortung bzw. Relevanz von Kunst.
Die Vorbereitungen an den Art Protectors nimmt CastYourArt zum Anlass nicht nur die Künstlerin, sondern auch Sabine Haag, Generaldirektorin des KHM, Karl Schütz, Leiter der Gemäldegalerie des KHM als auch die teilnehmenden Sammler zu diesem brisanten Thema zu befragen. (Text: Birgit Laback)