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FRITZ PANZER. Die begehbare Zeichnung

Kategorie: Porträt 8. November 2010

Fritz Panzer erleichtert Objekte aus seiner unmittelbaren Wirklichkeitswelt um Bedeutungen und zeigt sie in ihrer halb anwesend-halb abwesenden Art. Ein Künstlerportrait.

Der Sessel und der Sessel: Stellt man einem Drahtobjekt Fritz Panzers sein „reales“ Vorbild, zur Seite, wirkt es wie aus einer anderen Welt. Was? Das Drahtobjekt oder sein Vorbild? Das lässt sich im Augenblick der Betrachtung kaum sagen. Wir haben zwei Objekte vor uns, die einander weder ergänzen, noch ausschließen, die füreinander „nicht mehr oder noch nicht der Andere“ (Roland Barthes) sind.

In der Beschreibbarkeit des Handfesten und seines Unbegreiflichen stehen einander Worte wie braun, hart, glatt solchen wie rätselhaft, skurril, indifferent gegenüber, und während man nun sicherlich bereit wäre, dem Sessel aus unserer unmittelbaren Wirklichkeitswelt ebenfalls die Eigenschaften rätselhaft, skurril, indifferent zuzusprechen, muss die sprachliche Übertragung in die andere Richtung fehlschlagen: Der Künstler hat das vom ihm geschaffene Objekt um Adjektive, sprich: um Hinzugefügtes erleichtert, vom Gewicht gewisser Bedeutungen entbunden. Indem wir hier eine Sprache einbüßen, finden die Dinge ihrerseits „Zugang zur Melancholie ihres eigenen Erlöschens“ (Roland Barthes).

In den 70er Jahren schuf Fritz Panzer Skulpturen, die 1:1 Nachbildungen von Möbeln und Gegenständen in Karton waren. Schon hier umkreiste der Künstler Objekte aus der ihm naheliegenden Wirklichkeit, enthob er in seinen Arbeiten Bett, Küchentisch, Kredenz, Dielenböden ihrer Benutzbarkeit und lenkte die Aufmerksamkeit auf ihre Eigenart, Form, ihre skulpturale Qualität. Der Blick auf diese nunmehr unpraktischen, selbstgenügsamen Dinge wird entleert, das Sehen zu einem Erkennen ohne Erkenntnis, zu einem reinen Sehen. Unprätentiös bietet sie sich dar, so wie sie sind, und man muss irritiert feststellen, dass die Dinge in sich selbst Bestand haben, und zwar umso mehr, je weniger sie sich von uns handhaben, kontrollieren, kennzeichnen lassen. In den Kartonskulpturen untersuchte der Künstler die Gegenstände anhand ihrer Volumina, in der Zeichnung – neben der Malerei ein weiteres zentrales Medium im Kunstschaffen Fritz Panzers – sind es ihre Konturen. Er folgt Linien, die man sehen kann und Linien, „die man nur sehen kann, die aber nicht da sind“ (Hans-Joachim Müller), er verdoppelt sie, radiert sie aus, tilgt sie halb und zeigt so die Dinge in ihrer anwesend-abwesenden Art.

Durch die Erweiterung der Zeichnung in die Dreidimensionalität, die Schaffung der „begehbaren Zeichnung“, verstärkt sich der Eindruck, dass wir es hier mit Dingen zu tun haben, die eine Zwischenwelt bewohnen. Es entstehen Räume, in denen der Künstler Rolltreppe, Motorroller, Klappleiter, Schreibtisch aus der Welt hinaus- und gleichermaßen in sie hineinwachsen lässt, sie im Schwebezustand zwischen sichtbar und unsichtbar hält. Der Psychoanalytiker Georg Gröller charakterisiert Fritz Panzers Schaffen als „fortschreitende Übung des Verzichts, als die Arbeit an einer Loslösung von den Leidenschaftlichkeiten des Ichs mit all ihren Zwecken, Absichten und Bedeutungen, als immer wieder erneuerter Versuch, in der Identifizierung mit dem bloßen Sein des Objekts mit diesem zu verschmelzen und eben jene Trennung aufzuheben, in die erst die Erfahrung des Verlusts und der daraus resultierenden Bildung der Wunschvorstellung uns eingeführt haben“. Hier ist von einem Verzicht, einem „Nicht-Habenwollen“ die Rede, das durch eine „gewagte Regung von der Begierde durchpulst“ (Barthes) bleibt und dabei eine sprachvergessene Bedürfnislosigkeit voraussetzt. Anders formuliert: „Damit der Gedanke des Nicht-Habenwollens das System des Imaginären aufheben kann, muss es mir gelingen, mich irgendwo außerhalb der Sprache in einen Zustand der Trägheit fallen zu lassen und mich auf bestimmte Weise ganz einfach: hinzusetzen.“ (Barthes) Worauf? Auf den Sessel natürlich. (Text: Sarah Heigl)



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