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BIRGIT JÜRGENSSEN. „Ach, Fräulein Jürgenssen...“

Kategorie: Ausstellung 20. Dezember 2010

Das Bank Austria Kunstforum zeigt in Zusammenarbeit mit der Sammlung Verbund die erste posthume Retrospektive des Werks von Birgit Jürgenssen. In ihren Zeichnungen, Aquarellen, Polaroids, Fotogrammen, Objekten, Aktionen und Videos untersuchte die Künstlerin Maßgaben weiblicher Identitätskonstruktionen sowie Geschlechterrollen ihres unmittelbaren soziokulturellen Umfelds.

Nach ihrem frühen Tod 2003 befinden sich heute mehr als 3000 Arbeiten im Nachlass. Aufgearbeitet werden sie unter der Obhut des Wiener Galeristen Hubert Winter, nur ein kleinerer Teil davon war bis dato zugänglich.

Birgit Jürgenssen begann 1968 als 19-Jährige an der Wiener Akademie für angewandte Kunst im Fach Grafik zu studieren. Die politischen Aktionen dieser Zeit in Wien waren für sie einflussreich, jedoch ohne selbst involviert zu sein. So datiert der Beginn ihrer künstlerischen Arbeit in die Kernzeit der feministischen Avantgarde. Diese bildet auch den zentralen Ausgangspunkt ihres Werkes.

Jürgenssen war keine Kämpferin an vorderster Front. Ihr Werk ist zurückhaltender, stiller, poetischer, geprägt von ihrer handwerklichen Stärke des Zeichnens. Subtil unterzieht sie die stereotypisch weiblichen Rollenklischées einer subversiv-surrealen Betrachtung. Ihre Arbeiten laden sowohl zum Denken als auch zum Sinnlichen Erfassen ein. Eine Kombination, die in der konzeptuell angelegten Avantgarde-Kunst der 70er Jahre selten anzutreffen ist. Für Performance, sagte die Künstlerin, sei sie zu schüchtern. Sie agierte privat, ihr Gegenüber eine Fotokamera mit Selbstauslöser.

Zu Beginn ihrer künstlerischen Arbeit war die gesellschaftliche Meinung gängig, die Rolle der Frau könne sich am besten im eigenen Haus entfalten, wo sie gezähmt und ungefährlich ihrer familiären Aufgabe folgt. An der Universität, heißt es, habe sie ein Assistent gefragt: „Ach, Fräulein Jürgenssen, warum schleppen Sie sich denn mit den schweren Lithosteinen ab, Sie werden doch eh bald heiraten!“.

Doch das Schmusekätzchen mutiert in ihren Zeichnungen zu einer raubtierhaften Mensch-Tier-Konstellation. Der weibliche Gegenangriff Birgit Jürgenssens ist feinsinnig pointiert. Sie nutzt die Mittel der Dekonstruktion alltäglicher Redewendungen oder der wörtlichen Bebilderung von Floskeln und sie bezieht fairer Weise den Mann mit ein: als Waschlappen, als Wesen mit unvollendeten Gliedern, aber auch als Beziehungspartner. So wird sichtbar, dass patriarchalische Strukturen den Frauen nicht angetan, sondern vielmehr von beiden Geschlechtern gleichermaßen angenommen und verinnerlicht werden.

Ihrem bürgerlichen Hintergrund und der damit empfundenen Enge wollte Birgit Jürgenssen entkommen. Brav-bieder gekleidet drückt sich ihr Körper in einem ihrer Schlüsselwerke aus dem Jahr 1976 gegen eine Glasscheibe, die die fast unsichtbaren Schranken zur Außenwelt aufzeigt. Im Objekt Hausfrauen-Küchenschürze von 1975 wird ein dreidimensionaler Backherd, der Frau geradezu einverleibt.

Birgit Jürgenssens Bilderwelt rückt manchmal mehr in die Nähe des von ihr geliebten Literaturklassikers „Alice im Wunderland“ als an die Seite eines orthodoxen Feminismus: Schuhe, schöne Kleider und auch Sinnlichkeit werden nicht abgelehnt. Besonders Schuhe haben es ihr angetan. Ein ganzes Panoptikum entspannt sich in einer Werkserie, in der ihre Lust am Fetisch und die Erforschung desselben gleichermaßen sichtbar werden ohne sich widersprechen zu müssen.

Ihre Auseinandersetzung mit weiblicher Identität sei eine Wanderschaft vom Aufbegehren über Selbstvergewisserung zum Sinnlich-Erotischen bis hin zum Verschleiern, beschreibt es die Direktorin der Sammlung Verbund Gabriele Schor in einem Interview. „Die geschlechtsspezifische Identität entsteht durch den Raum, den Menschen sich schaffen, um darin existieren zu können“ notiert Jürgenssen in einem Brief. Eine Arbeit aus dem Jahr 1995 auf einer Tafel geschrieben konstatiert nurmehr ICH BIN. (Text: Karen Oldenburg)

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