ARNULF RAINER. Das Verhüllen
Zusammen mit Maria Lassnig gilt er als Begründer des österreichischen Informel. Seine Arbeiten werden in den wichtigsten Museen auf der ganzen Welt gezeigt. Ein Künstlerportrait von Arnulf Rainer. Dieser Beitrag konnte mit freundlicher Unterstützung des UNIQA ArtCercles verwirklicht werden.
André Breton, den Schriftsteller und theoretischen Kopf des Surrealismus hat er in Paris besucht – das war zugleich seine Abkehr vom Surrealismus. Zusammen mit Maria Lassnig gilt er als Begründer der informellen Malerei in Österreich, seine Arbeiten werden in den wichtigsten Museen auf der ganzen Welt gezeigt. Der Weg zum Erfolg war manchmal auch steinig, erzählt Arnulf Rainer, dessen erste Einzelausstellung 1955 in der Galerie St. Stephan unter Monsignore Otto Mauer stattfand. So liege der Beginn seiner Übermalungen nicht in irgendeinem philosophischen Konzept begründet, sondern finde seinen Ursprung in der einfachen Tatsache, dass ihm Anfangs das Geld gefehlt habe, um neue Leinwände zu kaufen. Statt dessen hat der Künstler auf bereits bemalte Leinwände – Bilder vom Flohmarkt – zurückgegriffen. Diese waren billiger zu haben.
Es war dem Künstler nie gleichgültig, was ihm als Leinwand diente. Deshalb hat von Anfang an begonnen, durch seine Übermalung mit der darunter liegenden Arbeit zu kommunizieren – egal ob es sich dabei um ein Bild vom Flohmarkt, eine Arbeit eines Kollegen, Faksimile berühmter Vorgänger oder Fotografien von ihm selbst handelt. Er habe sich, sagt der Künstler, in dieser symbiotischen Arbeit gewissermaßen mit dem Werk verheiratet, ihm immer Respekt zukommen lassen. Eine Sensibilität, die der Künstler und ehemalige Professor der Akademie der Bildenden Künste in Wien vermisste, als in einer Nacht- und Nebelaktion unbekannte in seine Büroräumlichkeiten eindrangen und dort wichtige Arbeiten zerstörten. Als Reaktion auf diese Aktion und auf die mangelnde Unterstützung bei der Aufklärung durch die Akademie ließ er sich 1995 emeritieren. Er habe seit damals die Akademie nicht mehr betreten.
Die Respektlosigkeit war kränkend. Dass er mit Witz und Ironie umzugehen versteht, zeigen seine berühmten Fotoübermalungen von Selbstportraits, die „Face Farces“ und „Body Poses“ mit denen er in den späten fünfziger Jahren begann. Diese Auseinandersetzung mit sich selbst habe ihren Ursprung in der Tatsache, dass sich seine Mimik, wenn er in die Arbeit vertieft sei, verselbständige - so wie man es manchmal auch bei Musikern beobachten kann. Das sei ihm eines Tages aufgefallen und damit auch der Entschluss gereift, mit seinem eigenen körperlichen Ausdruck zu experimentieren.
Die Übermalung seiner eigenen Abbildungen auf Fotografie habe auf persönlicher Ebene dazu geführt, dass er sich selbst lockerer sehen könne, künstlerisch se es ihm darum gegangen, mit einigen wenigen Strichen, wesentliche Züge und die Dynamik im Bild zu stärken.
Sein künstlerischer Zugang ist vertieft, intuitiv, schnell. Zumeist arbeitet der Künstler gleichzeitig an mehreren Arbeiten. Die Linie wo Malerei aufhöre zu stärken und damit selbst schwächer werde sei eine sehr dünne und indem er immer wieder kurz an einem Werk arbeite, verhindere er auch, diese Linie zu überschreiten.
Es hat Phasen gegeben, in denen seine Übermalungen großflächiger ausgefallen sind und nur mehr wenige markante Bereiche des darunter liegenden freigaben. Die Hervorhebungen, die er betreibt, sind keine auf Eindeutigkeit abzielenden, vielmehr wollen sie die den Raum der Festschreibungen öffnen. Die Kunst habe nicht zu erklären, sie sei auch kein Rätsel, das zu lösen sei - als solche würde sie sofort ihren Reiz verlieren. Kunst muss stimulieren und offen halten können, sagt Rainer oder wie Karl Kraus es zum Ausdruck brachte: Künstler ist nur einer, der aus der Lösung ein Rätsel machen kann. (Text: Wolfgang Haas)