ALFRED SEILAND. Retrospektive im Albertina Museum
Die Albertina widmet dem österreichischen Fotografen Alfred Seiland bis 7. Oktober eine umfassende Retrospektive. Kuratorin Anna Hanreich zeigt 65 Werke aus fünf seiner langsam entstandenen und umfangreichen Werkserien der letzten 40 Jahre.
Mit dem "vielleicht einzigen österreichischen Street-Photographer" (Direktor Schröder) eröffnet die Albertina einen Ausstellungszyklus über österreichische Fotografie, die "weltweit unterschätzt" sei.
Farbe war in der Kunstfotografie bis in die 70er Jahre tabu, vor allem wegen ihrer Verwendung in Werbung und Mode. Erst allmählich setzte sich der Farbfilm auch in der "Street Photography" durch, in den USA etwa bei Joel Meyerowitz oder William Eggleston. Als einer der ersten österreichischen Fotografen begann Alfred Seiland (geb. 1952) zur Gänze in Farbe zu arbeiten.
In seinen realistischen Fotografien setzt sich Seiland mit verschiedenen Kulturräumen auseinander, von den USA bis Österreich, dem Iran oder Gebieten des ehemaligen Römischen Reiches.
Seine Herangehensweise gibt die Wirklichkeit ungeschminkt wieder, er ist fasziniert von den imaginären Möglichkeiten des Alltäglichen, der Betrachter soll ohne Voreingenommenheit das Ergreifende im Ordinären erkennen können.
In der Albertina-Ausstellung führt seine frühe Serie „East Coast – West Coast“ (1979 – 1986) zunächst in die USA, wo Seiland mit seinem Blick für das kulturell Fremde eine eigenständige Sicht auf dieselben Landschaften entwickelt, die auch die berühmten US-Fotografen aufgenommen hatten: Straßen und Landschaften, Neonschilder, Werbetafeln und Motels. In den sorgfältig komponierten Aufnahmen kommen Menschen kaum vor, die Atmosphäre, oft bei Nacht oder Dämmerung, ist stets rätselhaft und erinnert an Bühnenbilder.
Denselben „fremden“ Blick wie auf die USA wandte Seiland in seiner Serie „Österreich“ (1981-1995) auch auf die heimische Umgebung an. Alltägliche, nicht-nostalgische Motive und unspektakuläre, teils hässliche Nicht-Orte stehen hier im Mittelpunkt. Auch in diesen melancholischen, auch humorvollen Bildern mit ihrer präzisen Lichtsetzung sind Menschen eine Seltenheit.
Die Anregung für seine Österreich-Serie hatte Seiland durch seine Aufträge für verschiedene Magazine. Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat er eine Werbekampagne aufgenommen die mehrfach preisgekrönt wurde, und der ebenfalls ein Raum in der Schau gewidmet ist. „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“: Berühmte Persönlichkeiten wurden hier in maßgeschneidert inszenierten Umgebungen hinter der aufgeschlagenen großformatigen FAZ bei der Lektüre abgebildet, wobei die Köpfe unsichtbar bleiben - Reinhold Messner in einer imposanten Felswand, Wolfgang Petersen am Filmset, Nadja Auermann im Zoo, Helmut Kohl auf einem Schiff oder Yehudi Menuhin am Dach der Royal Albert Hall, sie alle sind jeweils nur winzig klein im Bild sichtbar, wie in einem Suchrätsel.
In seiner 2006 begonnenen Serie „Imperium Romanum“ stellt Seiland Relikte des Römischen Reiches zur Gegenwart in Bezug. In diesen Aufnahmen hat Seiland ein Weitwinkelobjektiv eingesetzt. Die weiträumigen Ansichten der historischen Stätten und des Umgangs mit ihnen bringen auch Einsichten in aktuelle Zusammenhänge, wie z.B. das Bild von der Klagemauer, wo auch die israelischen Sicherheitsbarrieren sichtbar sind. Bisher sind 130 Fotografien von „Imperium Romanum“ entstanden, im Zuge seiner Reisetätigkeit begann Seiland 2017 seinen neuesten Fotozyklus, „Iran“, der hier erstmals präsentiert wird.
Mit einer Presseerlaubnis bereiste Seiland den Iran, im dem er auch Denkmäler und Schauplätze des ersten Golfkrieges zwischen Iran und Irak (1980-88) festgehalten hat. Besonders beeindruckend ist dabei eine großformatige Nachtszene mit dem Scheinwerferlicht eines Motorrads in der Ruinenstadt Bam. Auffallend ist dabei auf dieser wie auch den anderen Fotos die Tiefenschärfe, hierfür ist laut Seiland die digitale Technik nicht geeignet.
Er werde auch weiterhin analog arbeiten und sich nicht „von der Technik terrorisieren lassen“.
(Text: Cem Angeli)