ALEXANDER STEINWENDTNER. Georg Trakl Allee
Am Abend, wenn wir auf dunklen Pfaden gehn,
Erscheinen unsere bleichen Gestalten vor uns.
Wenn uns dürstet,
Trinken wir die weißen Wasser des Teichs,
Die Süße unserer traurigen Kindheit.
Martin Heidegger nannte sein lyrisches Werk ein einziges großes Gedicht und Rilke war von der Virtuosität seines Umgangs mit Wort und Rhythmus begeistert. Die Rede ist von Georg Trakl, einem der größten deutschsprachigen Dichter.
1914, vor hundert Jahren, starb Trakl im Alter von 27 Jahren in Krakau an einer Überdosis Kokain. Der Stadt Salzburg, in der er geboren und aufgewachsen ist, war er auch dichterisch eng verbunden. Anlässlich des hundertsten Todestages von Georg Trakl hat der Künstler Alexander Steinwendtner in Salzburg ein Denkmal für Trakl geschaffen, bestehend aus 14 Marmorstelen mit Fotos - dank der Unterstützung der Georg Trakl Forschungs- und Gedenkstätte Salzburg - und Texten aus dessen Leben; zur Erinnerung und gegen das Schweigen.
Die Stelen befinden sich im Aussenraum in der Umgebung der Fakultät für Germanistik der Paris Lodron Universität Salzburg. Das Material mit seiner Unvergänglichkeit steht dafür, dass auch Trakl und seine Lyrik dem Vergessen entrissen und für die Ewigkeit erhalten werden sollen, in Marmor - einem natürlichen Material, das mit der Witterung die Farbe wechselt und somit einen Bezug zur von Farben durchzogenen Lyrik Trakls herstellt.
Die Stadt als Theater der Erinnerung ist eine wesentliche Idee für die Arbeit des Salzburger Künstlers Steinwendtners. Wäre das Verhältnis zwischen Mensch und Ort nur zufällig, könnte man Häuser und Städte problemlos zerstören. Dennoch zeigt der Mensch eine bestimmte Tendenz, sich an Orte zu klammern, die er als eigene wahrnimmt, denn dort hat er seine Erinnerung untergebracht. Der Ort ist ein Raum, der bewohnt, belebt und besucht wird. Daher ist eine plastische architektonische Konstruktion nichts Unbewegbares und Zeitloses. Städte, ihre Bauten und ihre Denkmäler sind ebenso wie lebende Organismen Veränderungen durch die Zeit unterworfen und müssen als lebendige kulturhistorische Phänomene, in denen sich die Erinnerung der Menschen ins Leben gerufen wird, angesehen werden. Die Erinnerung ist die bewusste Gegenwart des Vergangenen. Die Erinnerung eines Individuums ereignet sich in einem bestimmten historischen und sozialen Kontext. Im städtischen Raum stellen die Denkmäler die maximale Manifestation des kollektiven Willens dar. Sie wollen im veränderlichen und dynamischen Umfeld der städtischen Raums Fixpunkte sein und als Behältnisse der Erinnerung und als Verweise der städtischen und Kulturgeschichte fungieren.
Doch physische Orte bringen Bedeutungen nicht automatisch aus sich hervor. Erst über einen narrativen Akt kann das menschliche Subjekt ihren Sinn erfassen und artikulieren. Die Erinnerung manifestiert sich nicht in klar umrissener Form. Sie flackert, schimmert in flüchtigen Momenten durch, stottert. Mehr als der Ausdruck Denkmal nahelegt, einmal zu denken, errichtet Steinwendtner Denk-Räume, Spuren der Erinnerung. Seine ist eine Poetik des Flüsterns und Schweigens, des flüchtigen Aufblitzens, von Spuren, die Neugier wecken, um sie in Entdeckungen zu transformieren. Offen für multiple vielfache Lesarten, stellt Steinwendtners Intervention Fragen wie nach dem Spannungsverhältnis zwischen Erinnerung, Vergessen, Abwesenheit, Vergangenheit und Gegenwart. Ebenso bezeugt sie die enge Verbindung zwischen Skulptur, Raum und Erinnerung. Erinnerung und Raum sind eng verbunden, man kann die Erinnerung hervorrufen, indem man mentale Bilder schafft, von dem was man erinnern will, und sie in einem physischen architektonischen skulpturalen Raum platziert.
Die Denkmäler sind am Leben, solange über sie nach-gedacht wird. (Text: Cem Angeli)